Ich trete aus der katholischen Kirche aus und bleibe Christin

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Heute ist der 22.01.2022 und ich trete aus der Katholischen Kirche aus. Seit 30 Jahren hadere ich mit dem Umgang der katholischen Kirche mit Übergriffen gegenüber Kindern, Frauen, Menschen mit mentaler Beeinträchtigung. Sexueller Missbrauch und Machtmissbrauch sind alte Themen. Gehalten haben mich die vielen Laien, die gute ehrenamtliche Arbeit leisten. Und ein tiefes inneres Gefühl, da hin zu gehören. Gestern nun in den Nachrichten das Gutachten über die Missbrauchsfälle im Bistum München und Freising. Das ist für mich der Punkt, an dem ich nicht mehr in die Veränderungskraft dieser Institution vertraue. Und wenn ich nicht vertraue, dass diese Männer überhaupt Interesse daran haben, die Institution zu verändern, dann kann ich sie nicht weiterhin finanziell unterstützen. Ich würde Männer unterstützen, weiterhin ihr Netzwerk des Kindesmissbrauchs und des Machtmissbrauchs aufrecht zu erhalten.

Damit Klarheit darüber besteht, dass es einzig und allein gegen die verantwortlichen Männer und ihre Art, die Botschaft zu benutzen in dieser Institution in ihrer jetzigen Form gerichtet ist, spende ich meine bisherige Kirchensteuer an Ärzte ohne Grenzen. Ich habe beschlossen, dass das mein Zeichen ist, dass ich für die Opfer setzen kann. Deshalb trete ich laut aus und stehe hier zu meiner Entscheidung. Ich bedaure, dass die Männer, die in der Institution Führungsaufgaben übernommen haben, keine Verantwortung übernehmen. Ich leiste meinen Beitrag zur Veränderung. Ich stehe nicht mehr mit meinem Namen für die katholische Kirche. Ich möchte mich bei allen Opfer entschuldigen, dass ich durch mein Engagement und meine finanzielle Unterstützung in Form von Kirchensteuer und Spenden ihr Leiden ermöglicht und verlängert habe. Es tut mir zutiefst leid.

Ich war aktive Christin

Ich bin katholisch. Meine Eltern haben mich taufen lassen. Die Kirche war ein Teil meiner Kindheit. Sonntags gingen wir als Familie in die Kirche. Meine Mutter ging nach Hause und hat das Sonntagsessen fertig gemacht, während wir mit meinem Vater über die Eisdiele nach Hause gelaufen sind. Für meine Geschwister und mich gab es ein Bällchen Eis. Als wir älter wurden, sind wir nach dem Gottesdienst in die Bücherei gegangen. Ein sehr schönes Ritual. Später kam der Besuch des Kindergottesdienstes am Freitag Nachmittag dazu. Nach meiner Kommunion war ich bis zu meinem 18. Geburtstag Messdienerin. Die Sonntagspflicht war klar gesetzt. Wenn ich ein Handballspiel am Sonntagvormittag hatte, dann bin ich samstags oder sonntags abends in den Gottesdienst gegangen. Ich habe das Weihwasserfass vor der Schule um 6 Uhr über die Felder getragen, damit die Ernte gesegnet wird. Ich habe bei Beerdigungen als Messdienerin den Pfarrer unterstützt.

Als Kind habe ich einmal in der Woche eine Kindergruppe besucht. Es war für mich völlig klar, dass ich später eine solche Gruppe übernehme und für Kinder ein Nachmittagsangebot gestalte. Die katholische Kirche und der Fasching sind eng verbunden. Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, ob es Rosenmontag oder Faschingsdienstag war, an dem Kinderfasching gefeiert wurde. Wie selbstverständlich habe ich einige Jahre die Kindergarde trainiert und bin an Rosenmontagsumzügen mit gelaufen. Und danach die Fastenzeit. Das war dann nicht ganz so freiwillig. Dafür gab es ein Spendenkässchen, in das man sein Geld stecken konnte und das dann im Gottesdienst abgegeben wurde. Darauf war ich stolz. Und dann haben wir an Ostern im Fernsehen den Segen des Papstes Urbi et Orbi angeschaut. Ein Höhepunkt des Kirchenjahres.

Die Katholische Kirche zeigt ihre hässliche Seite

Jeden Montag trafen sich die Jugendlichen um gemeinsam dies und das zu tun. Als ich endlich alt genug war, war ich stolz. Wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich die Kasse übernommen. Ich war ein aktives Mitglieder der Gemeinde. In den Sommerferien veranstaltet St. Markus ein Zeltlager. Jeweils zwei Wochen für Mädchen und zwei Wochen für Jungs. Daran habe ich als Kind teilgenommen. Im ersten Jahr hatte ich Heimweh. Die wirklich schönen Erlebnisse, wie Singen am Lagerfeuer, Geländespiele und Gemeinschaft haben überwogen. Wie selbstverständlich bin ich ab 16 als Teamer mitgefahren um bereits zwei Jahre später die Leitung gemeinsam mit meinen beiden Freundinnen für mehrere Jahre zu übernehmen.

Irgendwann in dieser Zeit bekam die Gemeinde einen Kaplan. Er erschien in Sutane und war aus meiner Sicht konservativ. Er befand sofort, dass wir Mädchen nichts am Altar zu suchen hätten. Mädchen würden den Jungs den Platz wegnehmen. Mädchen seien der Grund, warum Jungs kein Interesse mehr daran hätten, Messdiener zu sein. Zu anderen Gelegenheiten platzierte er die Idee, dass eine Beziehung nur unter katholischen Christen möglich sei. Menschen, die nicht katholisch sind, sind sofort als Partner auszuschießen. Und ganz klar war es ihm und vielen anderen Mitarbeitern wichtig, die Vorteile der Keuschheit vor der Ehe anzupreisen. Das Geschenk der Entjungferung sei nur einmal zu verschenken und daher so kostbar. Bereits zu diesem Zeitpunkt war mir das Menschenbild gegen Frauen, Homosexuelle und Geschiedenen zuwider. Ich bin in der Kirche verblieben. Meine Kinder sind getauft. Weihnachten und Ostern habe ich den Gottesdienst besucht.

Veränderung braucht jeden Einzelnen, der sein Zeichen setzt

Ich möchte mich verstehen. Was hat mich gehalten? Ich habe gestern den Artikel herunter geschrieben. Es ist die logische Konsequenz auszutreten. Und am Morgen zuckt mein Körper, fühlt sich unwohl, sträubt sich. Vielleicht doch nicht ganz so ein krasser Schritt. Alte eingepflanzte Ängste melden sich. Dann bin ich mutterseelenallein. Ist das nicht genau der Satz, mit dem die katholische Kirche unterschwellig droht. Das hat lange gewirkt. Mit jeder Papstwahl habe ich mir vorgegaukelt, dass nun Reformen kommen, dass die Laien gestärkt werden. Damit habe ich meine Verantwortung abgegeben. Ich habe an keinem Gremium teilgenommen, dass die Veränderung der Kirche anschieben sollte. Selten ziehen mich wirklich sinnlose Aufgaben an. Und in diesem männerdominierten Geflecht aus gegenseitigen Verpflichtungen hatte ich keine Lust meine Energie einzusetzen. Ich habe mir nicht die Zeit genommen und mich auseinander gesetzt.

Ich habe mich weiter entwickelt und trage die Konsequenz meiner Entscheidung. Jetzt trete ich aus der Kirche aus und verweigere dieser Institution an irgendwelchen Gremien in der Gesellschaft teilzunehmen und in meinem Namen zu sprechen. Jede Initiative, die die Trennung von Staat und Kirche zum Ziel hat, unterstütze ich. Keine Kirchenmänner sollen über Kindergarten, Schule oder caritative Angebote leicht und regelmäßig Zugriff auf unsere Kinder bekommen. Ich entscheide, andere Wege zu suchen, Menschen zu unterstützen und daran mitzuwirken, dass unsere Welt ein guter Ort für Menschen wird.

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