Besprechungen: 3 Fakten, weshalb sie scheitern

Frau am Tisch, Blick nach oben in Besprechung

Weshalb scheitern gut vorbereitete Besprechungen? Jeder kennt die guten Tipps und Tricks, wie Besprechungen effektiv und effizient werden. Sie sind einleuchtend und einfach. Und trotzdem überleben wir langatmige, ziellose Besprechungen. Ich habe mich gefragt, weshalb es trotz guter Vorsätze immer wieder ins alte Fahrwasser übergeht. Was hält uns davon ab, diese einfachen Hacks umzusetzen? Ich habe 3 Ideen entwickelt, weshalb Besprechungen immer wieder scheitern. Es ist das Ergebnis meiner persönlichen Recherche.

Fakt 1: Wann und wo haben wir unsere ersten „Besprechungen“ erlebt?

Montags arbeite ich in einer Schule als Assistentin. Diesen Montag war der erste Schultag nach den Ferien. Ein Anlass für die Lehrerin einen Erzählkreis zu bilden. Alle Kinder sitzen im Kreis und die Frage steht im Raum: Wie waren die Ferien? Wenn ich in die Gesichter der Kinder schaue, dann bin ich mir nicht sicher, ob sie Wissen, dass das Ritual ihre Erzählkompetenz fördert. Es gibt Kinder, die erzählen spannend. Und es gibt Kinder, die so ein bisschen leise in die Maske stammeln. Es gibt Kinder, die eine eigene Geschichte erzählen. Es gibt Kinder, die die Geschichte des Kindes davor wiederholen. Jedes Kind kommt dran. Das dauert.

Sollte ein ungeduldiges Kind anfangen, herum zu zappeln oder andere zu schubsen, dann wird es ermahnt: „Du möchtest auch, dass man dir zuhört. Dann musst du jetzt auch zuhören. Das ist sonst unhöflich.“. Reinreden oder nachfragen wird ebenfalls kommentiert. „Du warst schon dran. Jetzt erzählt Maximilian seine Ferienerlebnisse.“ oder „Wenn jeder reinquatscht, dann dauert es nur länger.“ Auch wenn es zäh wird, alle halten durch. Aus meiner Sicht erleben wir in der Schule (und auch Kindergarten), dass so Besprechungen funktionieren. Das ist sicherlich nicht das Ziel des Erzählkreises. Und trotzdem lehrt uns der Ablauf diesen Teil. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass wir auch die Taktung Arbeit – Pause dort lernen. Es wird nicht gefragt, wer Hunger hat oder eine Pause braucht. Der Gong klingelt und die Aufgabe wird – spannend oder nicht – unterbrochen.

Bäm – das ist die Wiege der Besprechungs(un)kultur!

Ich fasse mal die ungeschriebenen Regeln des Stuhlkreises in der Schule zusammen:

  1. Besprechungen müssen kein Ziel haben. Im Kreis sitzen ist sinnvoll genug.
  2. Jeder sagt etwas. Wenn nicht jeder etwas gesagt hat, dann war es nicht richtig.
  3. Besprechungen dauern lange. Das muss man aushalten.
  4. Nachgefragt wird nicht. Jeder hat das Recht seine Zeit zu beanspruchen.
  5. Zuhören bis zum bitteren Ende ist höflich. Auf keinen Fall unterbrechen.
  6. Aufstehen und fertig. Aufgeschrieben, Notizen machen braucht es nicht.

Wer kennt sie nicht, diese Regeln des Erzählkreis, die uns Jahre später in Besprechungen wieder einholen. Wenn es so läuft, dann fühlen wir uns sicher und gehören dazu. Da nehmen wir die Beanspruchung unseres Sitzfleischs gern in Kauf. Eine Regelübertretung beim Erzählkreis wird echt hart sanktioniert. Wer von uns wollte schon beschämt werden, vor der Tür stehen oder der Grund sein, weshalb der Erzählkreis abgebrochen wird (obwohl darüber sicherlich einige froh gewesen wären)? Ausgehend von meiner Beobachtung kann ich also festhalten, dass jeder von uns, rechne ich Kindergartenzeit und Schulzeit zusammen, mindestens 12 Jahre immer wieder mit „Besprechungen“ dieser Art verbracht hat. Das ist eine Menge Lernzeit. Das hat sich eingeprägt. Das sitzt. Und es ist von der Oberfläche, aus unserem Bewusstsein verschwunden. Es schlummert in den Gewohnheiten und schnellen Reaktionen.

Fakt 2: Arbeit muss ätzend sein

Wer kennt es nicht: Du hast eine Weiterbildung gebucht, betritts den Raum und siehst einen Stuhlkreis. Da ist der Tag quasi schon gelaufen. Du kannst nicht genau benennen, aber es ist klar – das wird unangenehm. Wenn dem so ist, warum laufen wir dann nicht schreien aus Weiterbildungen (oder eben Besprechungen) davon? Ohne mit der Wimper zu zucken, bestätigen wir im Kalender Einladungen zu Meetings und erscheinen so pünktlich wie möglich. Aus meiner Erfahrung hat es damit zu tun, dass wir eine weitere Regel gelernt haben: Schule und Arbeit machen keinen Spaß. Wenn Kinder in die Schule kommen, dann fängt der Ernst des Lebens an. Das ist kein Ausblick auf Freude, Lust, Spaß und Spiel, sondern auf Beschwerlichkeit, Sinnlosigkeit und Langeweile. Und vielleicht war es nicht einmal die Schule, die uns mit der Freudlosigkeit bekannt gemacht hat. Wer kommt schon von der Arbeit nach Hause, strahlt und erzählt von einem grandiosen Tag? Daher gehe ich davon aus, dass Kinder schon viel früher lernen, Arbeit ist ein notwendiges Übel.

Es könnte sein, dass du mittlerweile einen Job hast, der dir gefällt. Das bringt uns dazu, zu glauben, wir hätten mit der Regel abgeschlossen. Teste dich selbst: wenn du aus dem Kinderzimmer oder wo auch immer die Hausaufgaben erledigt werden, Lachen hörst, zuckst du dann innerlich, weil der Gedanke aufzieht: werden da wirklich Hausaufgaben gemacht? Oder gehörst du doch noch zu denen, die dann mal in das Zimmer hineinschauen? Oder Lachen die Kollegen im Nachbarzimmer und du fragst dich, haben die denn nichts zu tun? Dann ist es klar. Auch du hängst der Regel an, Arbeit macht keinen Spaß. Auf der freudlosen Arbeit nehmen wir an freudlosen Besprechungen teil.

Fakt 3: Es ist so schön ein Frosch zu sein

Und jetzt kommt noch das i-Tüpfelchen dazu: wenn Arbeit keinen Spaß macht und Besprechungen scheitern, dann haben wir eine unendliches Reservoir an Möglichkeiten zu meckern. Gescheiterte Besprechungen sind ein gelungener Anlass, sich zu beschweren. Das „Ist-es-nicht-schrecklich?“-Spiel hält ganze Teams zusammen. Es geht so leicht über die Zunge, was alles anders und besser sein könnte. Meckern verbindet und wir können herrlich Aggressionen ablassen, ohne jemanden anzugreifen. Man stelle sich mal vor, was passieren würde, wenn dieses verbindende Element verändert würde: Besprechungen, die sinnvolle Ergebnisse erzielen und wir setzen es auch noch um. Herrje. Dann müssten wir unsere Beziehung zu unseren Arbeitskollegen irgendwie anders definieren und vielleicht auch noch herausfinden, was den anderen bewegt oder was er für Hobbies hat. Da treffen wir doch gerne die Entscheidung, dass wir weiterhin Frosch bleiben, gemeinsam mit den anderen Fröschen am Teich sitzen und quaken über die doch sehr heruntergekommene Arbeitswelt.

Müssen Besprechungen scheitern? Gibt es einen Ausweg? Da bin ich Optimistin. Alles was wir gelernt haben, können wir verlernen. Wir können es mit neuen Erfahrungen über-schreiben. Es braucht daher neue Besprechungsregeln. Und es braucht Geduld und Hartnäckigkeit, an ihnen festzuhalten, bis das mulmige Gefühl der Gewohnheit weicht. Wenn die Analyse stimmen sollte, dann braucht es dazu noch zwei andere Zutaten. Zutat Nummer 1 ist die Erlaubnis, dass Arbeit Spaß machen darf (ja, auch lachende Kollegen denken mit). Und wenn es richtig gut läuft, dann darf Arbeit sogar leicht sein. Zutat Nummer 2 sind „Plauder-Leitlinien“. Überlassen wir es nicht dem Zufall, was da so geschwätzt wird vor und nach der Besprechung. Jedes Thema ist möglich, allerdings ohne Beschweren. Bewährt hat sich die 1:2 Regel. Eine Meckerei wird durch zwei positive Äußerungen ausgeglichen. Wir gestalten aktiv, was wir so in der Pause, vor und nach der Besprechung reden. Es gibt aus meiner Sicht nichts Besseres.

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