Gebärdensprache lernen ist ein absolutes Muss. Nachdem ich eine Veranstaltung von Gehörlosen besucht hatte, habe ich mich entschlossen Gebärdensprache zu lernen. Es hat mich überzeugt, dass bereits Kleinkinder vor dem lautsprachlichen Sprechen über Gebärden kommunizieren können. Und dann kommt noch dazu, dass mein Vater immer weniger hört. Damit ist er von Tischunterhaltungen ausgeschlossen. Und hier kommen zwei Elemente zusammen: Er hört weniger und Hörende wechseln häufig das Thema. Das war mir vor dem Vortrag überhaupt nicht so aufgefallen. Für meinen Vater bedeuet das, bis er erfasst, um wen und was es geht, haben wir das Thema bereits gewechselt. Das macht es für ihn anstrengender als es sein müsste. Deshalb habe ich mich entschlossen, Gebärdensprache zu lernen.
Als ich „Klapp, Klapp – Hurra“ entwickelt habe (ein Hilfsmittel, um die 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation leichter einhalten zu können bei einer Streitschlichtung), war klar, da braucht es auch Hinweise auf Gebärden. Damit wird das Streitschlichtertool „Klapp, Klapp – Hurra“ barrierefrei. Gebärden kommen vor Bildern und vor gesprochenen Worten. Sie sind die erste Sprache, die wir lernen. Und leider derzeit wieder verlernen, weil die Übermacht der Worte uns den Eindruck gibt, damit könnten wir viel mehr ausdrücken. Sobald jemand dazu kommt, der eine andere Sprache spricht, ist das aber nicht mehr so. Hier können Gebärden helfen, die Verständigung zu erleichtern.
Weshalb solltest du dich für Gebärdensprache entscheiden? Hier meine Highlight-Gründe, am Lernen dranzubleiben.
Gebärdensprache ist eine eigenständige Sprache.
Gebärdensprache ist eine eigenständige Sprache und ich kann komplexe Inhalte ausdrücken. Obwohl einige Gebärden an Pantomime erinnern, hat es damit nichts zu tun. Gebärden können von Handlungen abgeleitet sein, müssen sie aber nicht. Ich nutze nicht nur die Hände, auch das Gesicht und den Raum um meinen Körper, um Zeit, Menge, Intensität oder Qualität auszudrücken.
„Klapp, Klapp -Hurra“ ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, um Streit entspannt zu lösen. Ich kann mich voll auf den Inhalt des Konfliktes konzentrieren, denn ich werde durch den Prozess geführt. Und nach zwei – dreimal begleitet durchgehen oder auch nur andere dabei beobachten, kann jedes Kind selbst Konflikte verstehen und lösen. Es geht darum, herauszufinden, um was es wirklich geht.
Selbstsicherheit und Mut
Wenn ich gebärde, dann nutze ich meinen ganzen Körper, um mich mit dem anderen zu verständigen. Das ist im ersten Augenblick ungewohnt. Bei manchem Gebärden wird die Zunge leicht herausgestreckt. Es hat mich Mut gekostet, beim ersten Mal. Jetzt ist es ganz normal. Und ich merke, es fühlt sich gut an, wenn andere mich anschauen. Das Gefühl von Peinlichkeit verschwindet und es gibt ein neues Normal.
Präsenz
Ich ziehe mit jeder Unterhaltung in Gebärdensprache die ganze Aufmerksamkeit auf mich. Nur wenn mich der andere anschaut, hat er die Möglichkeit mich zu verstehen. Ich bin nicht einfach da oder spreche über etwas. Es entsteht Präsenz. Ich bin meine Mitteilung. Sie ist nicht von mir getrennt oder befindet sich im Kopf. Mein ganzer Körper ist da. Und das hat eine Auswirkung auf meine körperliche Präsenz auch an anderen Gelegenheiten.
Humor
Vielleicht liegt es am Lehrer, dass wir im Unterricht soviel Spaß haben. Ich habe festgestellt, dass es wirklich anders und sehr lustig ist, wenn wir Witze gebärden. Und Gebärden ist manchmal sehr direkt. Viele Gedanken werden anschaulich.
Keine Geheimnisse
In anderen Sprachen kann ich leise sprechen und tuscheln. Das ist beim Gebärden weniger möglich. Jeder der hinschaut, kann verstehen, was ich gebärde. Ich finde, das ist eine große Stärke. Und es passt so wunderbar zu meiner Idee der wertschätzenden Kommunikation.
Zuhören lernen
Wenn ich mit jemandem gebärde, dann bin ich genau im hier und jetzt. Sonst bekomme ich nicht mit, was der andere sagt. Es gibt kein Daddeln nebenbei oder noch ein Kreuzchen in einer Liste. Ich schaffe es nicht, mir schon mal ein Gegenargument zu überlegen, denn ich will verstehen, was der andere sagt.
Ein Argument nach dem anderen
Wie oft kommt es vor, dass ich ein Argument bringe und dann noch eines und noch eines. Ich versuche den anderen zu überzeugen und dazu rede ich lange. Beim Gebärden ist es mir wichtig, sicherzustellen, dass der andere mich verstanden hat. Ich wiederhole einige Gebärden, um es auf den Punkt zu bringen und direkt danach stelle ich fest, ob der andere mich verstanden hat. Was für eine wunderbare Übung, sich der Geschwindigkeit des anderen anzupassen.
auch das noch
Meine Recherche hat ergeben, dass in der Werbung für Gebärdensprache folgendes häufig angeführt wird: Du kannst dich an lauten und leisen Orten unterhalten. Du kannst durch geschlossene Fenster sprechen. Bleibt dir die Stimme weg, kannst du gebärden.
Du tust etwas für Inklusion
Gebärdensprache hilft der Barrierefreiheit. Nicht nur, wenn erwachsene Menschen aus verschiedenen Nationen aufeinander treffen. Insbesondere faszinierend ist die Tatsache, dass Kinder bevor sie sprechen können schon Gebärden zeigen und lernen können. Sozusagen Babygebärdensprache. Sie können ihre Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken und sprechen.
Fazit
Ich gebe zu, es kostet ein bisschen Überwindung, Gebärdensprache zu lernen. Es hört sich im Smalltalk nicht besonders sexy an und interessanterweise fragt niemand „Sag doch mal XY auf Gebärde“ während meine Freundin ganz oft gebeten wird, etwas auf Koreanisch zu sagen. Damit kann ich wirklich gut leben, denn die Vorteile überzeugen mich. Was fehlt noch? Genau, wo kann ich Gebärdensprache lernen! Ich persönlich gehe in die VHS. Ich liebe es, wenn es regelmäßig stattfindet. So eine Gruppe ist anregend und wir sind miteinander gewachsen. Und das Internet ist eine Fundgrube. Hier meine Lieblingslinks:
So schön: Cindy gebärdet Songs auf Instagram oder YouTube.
Herrlich: Familie von Deetzen
Du möchtest eine Gebärde nachschauen: Lexikon des Schweizer Gehörhosenbunds oder SignDict
Oder du möchtest Gebärden im Vergleich Spread the Sign
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