Zuhören ist mehr als nur das Hören von Worten; es ist ein aktiver Prozess, der besonders im täglichen Leben wichtig ist. Denn Zuhören bedeutet, dass ich ganz bei der anderen Person bin. Alle meine eigenen Bedürfnisse stelle ich für diese Zeit zurück.
Häufig hören wir oberflächlich zu. In Gedanken sind wir mit unseren Argumenten und Geschichten beschäftigt oder im schlechtesten Fall mit dem Einkaufszettel. Deshalb ist es wichtig, bewusst zuhören zu trainieren. Dann steht es dir für tiefe Gespräche zur Verfügung. Zum Beispiel in Gesprächen, in denen sich dir jemand anvertraut und über seine Herausforderungen und Probleme sprechen möchte.
Denn gerade in diesen Gesprächen neigen wir dazu, zu reden und zu reden und zu reden. Der andere kommt überhaupt nicht mehr zu Wort, obwohl es um sein Problem geht.
Genau darum geht es in diesem Artikel: Wenn du es schaffst, dem anderen in seinen Gedanken zu folgen, dann nutzt du die Kraft des Zuhörens. Du erschaffst einen Raum, in dem die andere emotional sein kann.
Zuhören bedeutet, nicht nur die Worte zu hören, sondern sich aktiv darauf zu konzentrieren – mitzufühlen, Gefühle da sein zu lassen und auszuhalten. Wenn wir jemandem zuhören, geben wir ihm Aufmerksamkeit und Respekt. Das fördert nicht nur besseres Verständnis, sondern stärkt auch unsere Beziehungen.
Wie genau Zuhören funktioniert: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
- Aktives Zuhören: Konzentriere dich vollständig auf das, was du hörst. Schiebe eigenen Gedanken, Lösungsideen oder Geschichten beiseite und schweige freundlich und zugewandt.
- Versuche zu erfassen, worum es dem anderen geht (Bedürfnis) und wie es ihm geht (Gefühl): Sage mit offener Haltung: „Erzähl mir mehr.“
- Halte den Raum: Atme und frage nochmal „Was sind da noch für Gedanken?“ oder „Was gibt es noch?“
- Emotionale Begleitung: Äußere deine Vermutung zu Bedürfnis und Gefühl. Hol dir eine Rückmeldung ab. Meist führt die Frage, ob es dieses oder jenes Bedürfnis sein könnte, dazu, dass die andere nochmal beschreibt und redet. Das ist gut so. Es dauert, bis das Bedürfnis gefunden ist, um welches es tatsächlich geht.
Beispiel: Ich sitze mit meiner Freundin im Kaffee. Die Fenster sind beschlagen. Das Wasser rinnt langsam an der Scheibe herunter. Sie erzählt, dass sie gerne die Wäsche macht. Es sei ihr ein Bedürfnis, Ordnung herzustellen. Sie wasche, bügle, lege zusammen und räume sie dann in die Schränke. Es irritiere sie, dass ihre Tochter das jetzt nicht mehr wolle. „Erzähl mir mehr.“ ist meine Aufforderung. Es ist schön, zuzuhören. Sie schaut aus dem Fenster. Hmm. Es könne nicht Ordnung sein, um die es gehe. Sie möchte einen Beitrag leisten, damit sich alle wohlfühlen. Wenn jeder seine Wäsche macht, dann sei sie überflüssig. Es kommt eine Trauer. Wir atmen. Das Bedürfnis dazuzugehören, nah zu sein steht im Raum. Der Kaffee ist kalt geworden. Wir schmunzeln. Es ist leicht eine andere Strategie zu finden, um der Tochter nah zu sein und dazuzugehören.
Wenn es gelingt, zuzuhören, findet so etwas statt, wie eine Atempause. In dieser Atempause kann die andere selbst ihre Lösung entdecken. Die Aufgabe ist also, für sich selbst klar zu haben, dass Raum halten, Schweigen, Zuhören ein Geschenk ist. Dieses Geschenk ist größer als jeder Tipp oder Trick, den du aufgrund deiner Lebenserfahrung oder deinem Wissen weitergeben könntest. Wenn es dir wichtig ist, nach dem Zuhören noch etwas von deinem Wissen weiterzugeben, dann frag zuerst, ob es jetzt passt. Hol dir die Erlaubnis, einen Ratschlag zu geben.
Welches sind Bedürfnisse, die Zuhören schwer machen
Hören wir nicht zu, dann hat das damit zu tun, dass ein eigenes Bedürfnis sich meldet. Bedürfnisse sind unsere Triebfedern. Sie sorgen dafür, dass es uns gut geht. Gleichzeitig können wir uns entscheiden, Bedürfnisse aufzuschieben. Leichter ist es Bedürfnisse aufzuschieben, wenn ich weiß, worum es mir gerade geht. Hier eine Liste von Bedürfnissen, die sich beim Zuhören melden:
Hilfreich sein: Statt zuzuhören beginnen wir sofort zu überlegen, was die Lösung des Problems sein könnte. Meist starten wir damit, bevor wir genau gehört haben, worum es geht. Das führt dazu, dass wir mit unserer Lösung am Problem vorbei reden.
Harmonie: Solang wir reden, sind wir uns sicher, dass wir einer Meinung sind. Deshalb versuchen wir, unseren Redeanteil hochzuhalten. Eine Strategie dazu ist es, eigene Anekdoten und Geschichten zu erzählen, wenn eigentlich Zuhören dran ist.
Sicherheit: Die Gefühle, die der andere hat und ausspricht, fordern uns oder überfordern uns. Statt zuzuhören, versuchen wir die geschilderte Situation zu verändern. „War doch nicht so schlimm“, „ist doch nichts passiert“, „das kannst du aushalten“. Das Gespräch nimmt einen angenehmeren Verlauf. Wir können uns entspannen. Es ist jedoch weniger hilfreich. Denn wir blockieren die positive Wirkung des sozialen Austauschs.
Spaß: Ganz beim anderen zu sein, mitzuschwingen und mitzudenken, ist anstrengend. Das bringt unser Gehirn dazu, dass es sich selbst ablenkt. Vielleicht denkt es daran, was beim nächsten Einkauf im Baumarkt zu erledigen ist. Wir beamen uns einfach weg. Schon können wir etwas tun, was mehr Spaß macht.
Sicherlich gibt es weitere Bedürfnisse, die das Zuhören erschweren. Da ist jede von uns individuell. Spannend ist es, eine Liste deiner Bedürfnisse und Strategien anzulegen. Bemerkst du eine der Strategien, hast du zwei Möglichkeiten. Du entscheidest dich, deinem Gegenüber mitzuteilen, dass du gerade nicht zuhören kannst und sorgst zuerst für dich oder du nutzt die Situation als Training und schiebst dein Bedürfnis bewusst auf.
So trainierst du zuhören
Übung aktives Zusammenfassen: Fasse zuerst zusammen, was du verstanden hast. Hol dir ein Kopfnicken oder ein „Ja“.
Übung aktive Atempause: Atme bewusst einmal ein und aus, bevor du etwas sagst. Verlangsame das Gespräch. Finde heraus, dass Denken in der Pause stattfindet und du dich mit einer Pause wohlfühlst.
Übung Aufmerksamkeit: Stecke während des Gesprächs alle elektronischen Geräte in deine Tasche. Schalte die Geräte stumm. Ein Handy auf dem Tisch signalisiert der Gegenüber, dass es jemanden gibt, der wichtiger ist, der jederzeit das Gespräch stören darf. Auch wenn es nicht ausgesprochen wird, wirkt dieser mangelnde Respekt.
Übung „Ratschlagfreie Zeit“: Lege eine Zeitspanne fest (gerne mit Timer am Handy), in der du keine Ratschläge gibst. Ganz egal, welches Thema oder mit welchen Personen zu sprichst, du verkneifst dir Ratschläge. Stattdessen kannst du gerne fragen, welche Idee oder Lösung der anderen Person einfällt.
Ich bin Jutta Büttner.
Wertschätzung ist meine Leidenschaft. Es ist das einfachste Mittel, dein Leben entspannt und freundlich zu gestalten. Du wirst zur angenehmen Zeitgenossin, der die Herzen zufliegen.
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Liebe Jutta das ist ein sehr wertvoller Artikel. Ich habe mich gleich an die Nase gefasst und mich wieder erkannt. Beruflich halte ich die Regeln ein, jedoch privat fällt es mir unheimlich schwer das auszuhalten. Mit deiner Anleitung kann ich vieles verstehen und bearbeiten. Herzlichen Dank.
Viel Freude und Erfolg bei deinem Tun und Wirken.
Herzliche Grüße von Anita
Liebe Anita,
das kenne ich auch, dass es bei Personen, zu denen ich ein bisschen mehr Distanz habe, leichter geht.
Danke für deine Anmerkung.
Herzliche Grüße
Jutta
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