Vorteile und Nachteile der Gewaltfreien Kommunikation

Frau auf Balkon

Als ich für diesen Artikel recherchiert habe, habe ich erstaunt festgestellt: Es gibt noch keine Auflistung der Vorteile und Nachteile der Gewaltfreien Kommunikation. Die Meinung herrscht vor, es gebe keine Nachteile. Das kann ich so nicht ganz bestätigen. Bevor du dich auf das Abenteuer Gewaltfreie Kommunikation einlässt, solltest du dich ausführlich informieren. Die Methode erscheint nachvollziehbar. Die Komplexität zeigt sich erst nach und nach. Es braucht einen langen Atem um durch achtsames Üben sich selbst weiterzuentwickeln. Wenn du Lust auf Marathon statt Tipps, Tricks und Hacks hast, dann ist die Gewaltfreie Kommunikation für dich interessant.

Vorteile der Gewaltfreien Kommunikation

  1. Gewaltfreie Kommunikation ist eine Haltung. Wer sich dafür entscheidet, verändert nicht nur seine Kommunikation in einer bestimmten Situation z. B. für die Arbeit oder gegenüber den Kindern. Die Haltung nehme ich insgesamt ein. Das führt dazu, dass ich immer ich bin. Ich benutze kein Tool, sondern verändere meine Sicht auf die Welt und besonders auf mich selbst. Es gibt kein Switchen mehr, was wende ich jetzt an.
  2. Gewaltfreie Kommunikation ist einseitig. Wenn ich mich entscheide, dann kann ich Gewaltfreie Kommunikation anwenden. Mein Gegenüber braucht dazu keine Zustimmung zu geben. Es ist in der Regel so, dass sich das Gegenüber über Empathie und Zuhören freut. Diese Einseitigkeit ist grandios. Ich kann selbst und immer darüber bestimmen, wie ich kommunizieren will. Dann wirkt es.
  3. Gewaltfreie Kommunikation ist zeitlos. Es gibt keine Altersbeschränkung für das Erlernen der Gewaltfreien Kommunikation. Schulungsprogramme für Kindergartenkinder, sowie Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind im Angebot. Das Konzept lässt sich spielerisch erlernen und anwenden. Je weniger Kommunikationserfahrungen bestehen, desto leichter lässt es sich im Alltag leben. Es geradezu ein hineinwachsen in diese Art der Kommunikation.
  4. Gewaltfreie Kommunikation liebt Menschen. Es ist ein positiver Ansatz. Jeder ist herzlich willkommen, mitzumachen, sein Lerntempo zu finden. In der Gemeinschaft ist für jeden Platz. Anfänger und fortgeschrittene Anfänger verstehen sich als Lernende. Eine Grundannahme ist, dass jeder seinen Beitrag leisten will und gerade das Schönste und Beste zeigt.
  5. Gewaltfreie Kommunikation liebt Vielfalt. Es gibt eine unüberschaubare Methodenvielfalt. Alles, was hilfreich ist, sich selbst oder andere in die Haltung der Gewaltfreiheit und Toleranz zu versetzen, ist herzlich willkommen. Meditieren, Rollenspiel, Waldbaden, Aikido oder Wandern in der Wüste. Für jeden Geschmack ist etwas da.
  6. Gewaltfreie Kommunikation bringt Konfliktleichtigkeit. Das scheint ein wichtiger Vorteil zu sein, weshalb Menschen das Modell lernen möchten. Konflikte lassen sich leichter lösen. Insbesondere dadurch, dass ich mich selbst und das, was mir wirklich wichtig ist, besser kenne. Und wenn ich weiß, was ich möchte, ist es leichter eine Strategie dafür zu finden. Ich habe wirklich einige Zeit gebraucht, um herauszufinden, weshalb ich will, dass meine Kinder Hausaufgaben machen. Ich wollte es leicht haben. Wenn sie Hausaufgaben machen, dann ist die LehrerIn zufrieden. Wenn die Lehrerin zufrieden ist, dann gibt es kein Elterngespräch. Wow, also sollen sie bitte Hausaufgaben machen. Die Strategie, sie zu den Hausaufgaben zu bewegen, war anstrengend. Wahrscheinlich sogar anstrengender wie ein Elterngespräch. Als mir das klar wurde, war es ganz einfach auf den Druck bei den Hausaufgaben zu verzichten. Meine Kinder haben trotzdem häufig ihre Hausaufgaben gemacht. Der Trick scheint zu sein, dass ich erkenne, dass ich selbst das größte Hindernis bin.
  7. Gewaltfreie Kommunikation verbreitet sich durch Empfehlungen. Meist empfehlen begeisterte Anwender die Gewaltfreie Kommunikation weiter. Oder sie verschenken ein Buch, gerne zur Geburt eines Kindes. Dem folgt dann der Besuch eines Basisseminars. Diese Seminare werden im deutschsprachigen Raum häufig von den verschiedensten TrainerInnen angeboten. Es gibt ein großes Angebot und für jeden Lerntypen das passende. Gleichzeitig werden auch in anderen Ländern Seminare oder Summerfestivals angeboten. Alle TrainerInnen erkennen die Seminare eines anderen Trainers an. Es ist jederzeit der Einstieg bei einer anderen Trainerin möglich. Die Seminare sind immer abwechslungsreich und sprechen mehrere Sinneskanäle an. In der Regel gibt es Visualisierungen, Geschichten zur Einstimmung, Rollenspiele und vieles mehr. Die TrainerInnen achten auf eine gute Atmosphäre.
  8. Gewaltfreie Kommunikation ist preiswert. Die Kosten sind überschaubar. Es finden sich Kurse im untere dreistelligen bis hin zum mittleren vierstelligen Bereich. Daneben finden sich Retreats, Erlebnisreisen, Sommercamps, Festivals und Workshops. Meist zahlt man einen Beitrag über eine Selbsteinschätzung. Das bedeutet, je nach Einkommen finanziert man mehr oder weniger vom Gesamtpreis und unterstützt eine Person, die weniger zahlen kann. Wenn gerade kein Budget vorhanden ist, gibt es eine unüberschaubare Zahl von Angeboten an Videos oder Übungen im Internet, die gratis sind und von sehr guter Qualität. Der offene Austausch von Material und Unterstützung ist verbreitet.
  9. Gewaltfreie Kommunikation hat Qualität. Die TrainierInnen haben einen hohen Anspruch an ihre Weiterentwicklung. Es gibt eine nationale und eine internationale Anerkennung als TrainerIn. Die Methode wird weiter entwickelt und daran sind TrainerInnen aus vielen Ländern beteiligt. Auf den Seiten CNVC Netzwerk für zertifizierte Trainerinnen und Trainer Infoportal GFK können zertifizierte TrainerInnen gefunden werden.
  10. Gewaltfreie Kommunikation macht selbstständig. Jede TrainerIn wird dich darin unterstützen, dass du dein Lernen selbst organisierst. Es werden keine Abhängigkeiten zwischen TrainerIn und TeilnehmerIn geschaffen. Erfolge werden ehrlich gemeinsam gefeiert. Das Bestreben ist es, dass jeder seinen Veränderungsprozess selbst organisiert. Daher gibt es in der Regel keine aggressiven Verkaufsstrategien. Neben den Seminaren gibt es die Möglichkeit Übungsgruppen zu besuchen oder selbst eine Übungsgruppe zu gründen. Dazu gibt es Anleitungen in diversen Büchern.
  11. Gewaltfreie Kommunikation ist international. Trainingsmaterial, Bücher oder Videos stehen weltweit in unterschiedlichsten Sprachen zur Verfügung. Es gibt in verschiedene Städten Zusammenschlüsse: New York, München. Hier noch ein Link: CNVC
  12. Gewaltfreie Kommunikation engagiert sich in der Gesellschaft. In Krisen- und Kriegsgebieten versuchen TrainerInnen Konflikte zu lösen und wieder ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Ein Beispiel: Israel. Damit weisen die TrainerInnen über sich selbst hinaus und leben ihre Vision.
  13. Gewaltfreie Kommunikation ist vielseitig. Das Kommunikationsmodell kann mit anderen Modellen ergänzt oder verknüpft werden: Schulz von Thun, The Work von Katie Byron, TZI von Ruth Cohn, um nur einige zu nennen.
  14. Gewaltfreie Kommunikation ist demokratisch. Das Modell integriert die Menschenrechte und ist zutiefst basisdemokratisch angelegt. Daher ist es leicht z. B. systemisches Konsensieren oder soziokratische Kreise damit zu verknüpfen.

Nachteile der Gewaltfreien Kommunikation

  1. Gewaltfreie Kommunikation macht stumm. Wer sich der Methode annimmt, wird feststellen, dass ein Leben ohne Bewertungen bedeutet, dass leichtes Plappern und Neuigkeiten verbreiten, wegfällt. Du stellst dir innerlich Fragen: Wozu erzählst du jetzt diese Geschichte? Welches Bedürfnis erfüllst du dir damit? Hast du tatsächlich die Geschichte gesehen, gehört und erlebt? Stimmt es also, was du erzählst? Häufig treffe ich dann die Entscheidung, dass ich einfach schweige.
  2. Gewaltfreie Kommunikation sammelt Klugscheisser. Und so sammeln sich in den Gruppen die Gutmenschen. Und der Gutmensch neigt dann doch wieder zur Diktatur. Hochmütig schaut er auf die herab, die noch nicht die vermeintliche Entwicklungsstufe erreicht haben. Mir persönlich sind Fälle bekannt, in denen Gruppenmitglieder ausgestoßen wurden, da sie die Harmonie der Gutmenschen gestört haben.
  3. Gewaltfreie Kommunikation ist wider die Natur. Dominante Sprache sichert das Überleben. Unklar bleibt, ob der Mensch empathisch geboren wird und aufgrund der Sozialisation eine Sprache entwickelt, mit der er versucht andere zu dominieren. Oder ob der Mensch bereits mit dieser dominierenden Sprache geboren wird und diese im Kontakt mit anderen Menschen zurückdrängt. Es wird zwar davon ausgegangen, dass es für alle Menschen möglich sei, gewaltfrei zu leben. Es fehlt jedoch jeder Beweis, dass der Mensch tatsächlich seinen Beitrag in der Gruppe leisten möchte. Nach der Konflikttheorie von Glasl gibt es Menschen, die bereit sind, gemeinsam in den Abgrund zu gehen. Die Idee, sich die dominante Sprache abzugewöhnen, könnte also das eigene Überleben gefährden.
  4. Gewaltfreie Kommunikation übertreibt. Es werden Versprechungen gemacht, die eindeutig nicht gehalten werden können. Eine Versprechung ist Konfliktleichtigkeit. Die Theorie ist komplex. Insbesondere Erziehungskonflikte können keinesfalls leichter gelöst werden. Es ist ein zähes Ringen mit sich selbst. Welche Regeln dienen dem Zusammenleben? Welche Regeln sind starr und trennen uns voneinander? Ich bin voll verantwortlich dafür, was ich sage oder tue. Es gibt keine Möglichkeit, die „Schuld“ auf eine Kindheitserfahrung abzuwälzen oder andere psychischen Entlastungsmechanismen
  5. Gewaltfreie Kommunikation verunsichert. Laut der Theorie gibt es kein „richtig“ und „falsch“. Dabei handelt es sich um Bewertungen. Jegliche Orientierung ergibt sich aus dem inneren Kompass im Abgleich mit den verschiedenen Bedürfnissen: den eigenen und denen der anderen Beteiligten.
  6. Gewaltfreie Kommunikation ist nicht alltagstauglich. Nach dem ersten Kontakt in einem Seminar besteht die große Gefahr merkwürdig zu sprechen. Es ist meist gepaart mit dem Eindruck, dass eine Manipulation stattfinden soll. Das führt dazu, dass Familienmitglieder beginnen Gewaltfreie Kommunikation zu hassen. Statt Verbindung herzustellen, nervt es. Besonders unglücklich verlaufen die Gespräche dann, wenn die AnfängerIn zu der Überzeugung gelangt, dass jetzt doch ihre Bitten erfüllt werden müsse, weil sie habe es ja gewaltfrei gesagt. Es gibt Berichte, dass Freunde und Angehörige langjährige Kontakte beenden. Die unerträgliche Besserwisserei, wie etwas ausgedrückt werden sollte, ob es ein „echtes“ oder ein Pseudo-gefühl ist, belastet Partnerschaften.
  7. Gewaltfreie Kommunikation ist zu kompliziert. Es dauert Jahre bis Erwachsene das komplexe System aus Methode und Haltung leben und umsetzen. Anfangserfolge verführen zur Idee, „man“ sei schon Fortgeschritten. Selbstüberschätzung gerade von Anfängern kommen häufiger vor. Nach den frühen vermeintlichen Erfolgen kommen Stagnation und Frustration.
  8. Gewaltfreie Kommunikation kann einsam machen. Die Versprechen nach mehr Verbindung und weniger Konflikten können nicht belegt werden. Stattdessen scheint es so zu sein, dass die eigenen Bedürfnisse erkannt werden und Grenzen klarer gezogen werden. Das führt dazu, entschiedener Aufzutreten und die eigene Position zu halten. Das heißt, wenn ein Gespräch gerade kein Bedürfnis von mir erfüllt, dann teile ich das mit. Wenn ich zur Party nicht gehen möchte, weil mein Bedürfnis Ruhe und Distanz wach ist, dann erfinde ich keine Ausrede. Das finden Menschen anstrengend.
  9. Gewaltfreie Kommunikation ist ein ungeschützter Begriff. Daher besteht die Möglichkeit, dass eine Person behauptet diese zu können ohne tatsächlich gewaltfrei zu kommunizieren. Das kann dann sehr überraschend verlaufen. Daher sollte darauf geachtet werden, dass eine Zertifizierung angestrebt ist oder bereits besteht.
  10. Gewaltfreie Kommunikation macht traurig. Wer sich auf den Weg macht, Gewaltfreie Kommunikation zu lernen, sollte sich auf scheinbar nie versiegende Tränenkanäle vorbereiten. Es wird geweint in den Seminaren. Ein geflügelter Spruch unter TeilnehmerInnen lautet, auf manchen Grabsteinen werde stehen: Sie ertrank an ihren Tränen.
  11. Gewaltfreie Kommunikation ruiniert den Geschmack. Die Inneneinrichtung begeisterter Anhänger verändert sich immer mehr in Richtung gelb-braun-gefleckt und das Giraffenmotiv ist omnipräsent. Plastik oder Plüsch, der schlechte Geschmack kennt keine Grenzen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen fühlen sich die Menschen zur Giraffe hingezogen und entwickeln einen Verehrungskult, der unangenehm berührt. Ich persönlich hasse Tierprint jeder Art.
  12. Gewaltfreie Kommunikation unterstellt Gewalt. Ich bin motiviert und möchte meine Kommunikationsmuster verändern. Wähle ich unter all den möglichen Methoden Gewaltfreie Kommunikation, dann ist die Unterstellung, ich spreche gewaltvoll bereits mit drin. Ich habe unendlich viele Versuche gefunden, den Gewaltbegriff zu vermeiden: Erwachte Kommunikation, Wertschätzende Kommunikation, Bedürfnisorientierte Kommunikation. Der Gewaltbegriff ist sperrig. Wer räumt denn gerne ein, dass er Sprache als Waffe nutzt? Und erzählt es dann noch der Welt? Es stellt den Kunden vor eine echte Herausforderung.

Mein persönliches Fazit

Für mich hat Gewaltfreie Kommunikation ganz klar die Nase vorne. Es ist die Methode, sich selbst besser zu verstehen und mit anderen in Verbindung zu kommen. Auch wenn es kein Allheilmittel ist für familiäre Auseinandersetzungen ist und Partnerschaften nicht zuverlässig rettet, überwiegen die Vorteile. Menschen, die nach dem Ideal leben und kommunizieren wollen, sind angenehme Gesprächspartner. Sie bleiben in Verbindung. Dazu kommt, dass ich die volle Kontrolle über meine Weiterentwicklung habe. Ich kann aussteigen, dranbleiben oder es anders machen. Ich werde keine Urteile meiner TrainerInnen erleben. Es gilt wirklich die freie Entscheidung.

Was mich noch überzeugt hat: Das Feedback von einem Menschen, der gewaltfreie Kommunikation lebt. Es ist eine einfache Frage: „Weshalb hast du das so gemacht? Ich möchte es verstehen.“ Diese Frage entwickelt eine solche Energie. Ich weiß, es liegt an der Haltung, es wirklich wissen zu wollen. Und das macht es so leicht zu antworten. Seit dem bemühe ich mich in ganz anderer Weise darum, anderen tatsächlich Feedback zu geben.

Ich kann ganz klar empfehlen, sich mit der Theorie zu beschäftigen. Nimm mit, was gerade passt. Es gibt kein Drängen oder Ziehen. Alles ist ein Prozess und diesen gestaltet jeder Mensch für sich. Du beschäftigst dich mit Konfliktgesprächen, bevor du sie führst. Das ist hilfreich. Auch wenn in jedem Gespräch der Rückfall in alte Verhaltensweisen lauert. Ich liebe die Methodenvielfalt. Jede TrainerIn versucht alle Lernkanäle anzusprechen. Es ist abwechslungsreich und lustig. Ich merke, ich komme ins Schwärmen. Und dann würde ich hier alle Vorteile nochmal aufzählen. Jetzt hast du einen Überblick und ich freue mich, wenn du deine Entscheidung unten in den Kommentaren mit mit teilst.

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