Dein Beitrag gegen Gewalt im Sport

Gewalt im Sport hat viele Gesichter. Ein Gesicht davon ist, dass Erwachsene, Trainerinnen oder Eltern die Grenzen von jungen Sportlern nicht respektieren. Meist steckt dahinter eine gut gemeinte Absicht. Die negativen Folgen überwiegen jedoch. Was dahinter steckt, findest du im Artikel.

Grenzverletzungen sind alltäglich – eine Übung

„Überzeuge deinen rechten Nachbarn davon, morgen mit dir ins Kino zu gehen.“

Das ist die Aufgabe, die uns die Referentin stellt. Ich bin auf der Veranstaltung des Stadtjugendrings Heilbronn zum Thema Sexuelle Gewalt in Vereinen. Es geht darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, wo die Grenze zwischen Fragen und (er-)pressen liegt.

Der Grat zwischen angemessenem werben und beharrlich für seine Idee zu gehen und dem unangenehmen unter Druck setzen, ist sehr schmal. Alle Teilnehmerinnen kennen das Verhalten. Sowohl auf der Seite, ich übergehe eine Grenze. Wie auch auf der Seite, mit Nachdruck zum eigenen „besten“ gezwungen zu werden. Es gibt keine Empörung. Niemand steht auf und geht.

Es ist eine alltägliche Erfahrung. Ich möchte etwas nicht. Mein NEIN ist klar, und der andere will es nicht hören. Er übergeht meine Grenze. Er bittet und droht, zieht ein beleidigtes Gesicht, verspricht, dass es mir Spaß machen wird.

Die Referentin stoppt die Aufgabe. Es stellt dich heraus, dass es einige geschafft haben, eine Verabredung zu ergattern. Ich bin erschrocken. So einfach funktioniert das also.

Verblüffende Reaktionen auf das Thema Grenzverletzungen

Das erzähle ich meiner Kollegin. Also, dass wir Grenzen missachten und Menschen überzeugen, jetzt irgendwo irgendwie mitzumachen, obwohl deren Bauchgefühl dagegen spricht. Gerne teile ich meine Erkenntnisse und die Kollegin ist im gleichen Bereich wie ich tätig. Ihre Reaktion verblüfft mich. Aus ihrer Sicht ist das keine Gewalt. Viele schöne Erlebnisse hätte sie verpasst, wenn da niemand gewesen wäre, der sie überzeugt, mit ein bisschen Nachdruck fragt.

Es ist eine Rechtfertigung. Sehr genau wissen wir, dass wir dieses Verhalten schon gezeigt haben. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass wir gerne verdrängen, wie viele unangenehme, langweilige Erfahrungen wir schon machen mussten, weil wir nicht bei unserem Nein geblieben sind. Wir selektieren unsere Erinnerungen, so dass sie zu unserem Verhalten passen. Das hat mir nicht geschadet, dann ist es okay, es auch so zu machen.

Wow. Wenn wir dieses Verhalten gutheißen, dann verpassen wir es, Grenzverletzungen als das zu bezeichnen, was die sind. Sie überschreiten meine Grenze. Ob die Absicht gut gemeint ist oder nicht. Und es scheint so zu sein, dass es eine kollektive Übereinstimmung gibt, dass wir nur die guten Ergebnisse zählen. Wie oft lassen wir uns überzeugen und es wird genau so öde, nervig oder gefährlich, wie wir vermutet haben?

Szenenwechsel: soziale Medien

Über LinkedIn lerne ich eine Frau kennen, die mir ein Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Ich bin motiviert, es auszuprobieren. Daher bestelle ich. Dann beginnt es, unangenehm zu werden. Ich soll sie anrufen. Das erste Mal möchte sie mit mir gemeinsam das Produkt genießen. Ich werde in eine WhatsApp-Gruppe aufgenommen. Nachrichten und Informationen prasseln auf mich ein. Das wird mir zu viel. Ich schreibe, dass ich gestresst sei und keinen Termin finde für den Eröffnungscocktail. Hier also ist meine Strategie, wie ich mit dieser Grenzverletzung umgehe. Ich bin nicht ehrlich, sondern versuche auszuweichen, finde eine Ausrede. Das ist das Einfalltor für weiteren Druck. Sofort kommt eine Nachricht, wie schade und dass sie doch unbedingt dabei sein wolle. Es wäre so ein schöner Moment. Ich soll es mir nochmal überlegen.

Es scheint für sie ein normales Verhalten zu sein. Und für mich scheint es normal zu sein, Ausreden zu finden oder dem Druck nachzugeben, um eigentlich Ruhe zu haben. Das ist schräg. Ich tauche einfach unter. Wenn ich nochmal schreibe, ist das lediglich eine Aufforderung für sie nachzusetzen.

Ich gehe davon aus, dass ich das Phänomen so erklärt habe, dass du nachvollziehen kannst, was ich meine. Wenn du noch Fragen hast, ich freue mich über eine Mail.

Das kannst du tun

Den ersten Schritt hast du bereits geleistet. Du hast diesen Artikel bis hierhin gelesen. Wunderbar. Ich bin begeistert.

Jetzt kannst du prüfen, wo du stehst. Akzeptierst du schon ein NEIN? Wie schnell flutschte mir früher ein „Och, komm schon.“ oder „Das ist dann auch wirklich die letzte Übung.“ heraus. Es war für mich eine echte Herausforderung, tatsächlich auf Freiwilligkeit zu setzen. Es ist meine Aufgabe, mir immer wieder klarzumachen, dass mein Wort mehr Gewicht hat. Gerade für jüngere Sportlerinnen ist es wirklich schwieriger zu sich selbst zu stehen. Daher ist es meine Aufgabe, mich selbst zurückzunehmen und meinen Trainingsplan flexibel anzupassen. In meinem Gastbeitrag für Sport Heilbronn kannst du eine Method nachlesen, wie du herausfindest, was gerade bei deinen Athleten los ist.

Sicherlich wirst du auf Menschen treffen, die andere überreden. Und du hast selbst deine Erfahrungen mit diesen Grenzüberschreitungen. „Nur noch das kleine bisschen, dann ist der Teller leer.“ oder „Das schaffst du noch. Du musst dich nur noch ein bisschen konzentrieren.“ oder „Das haben wir immer schon so gemacht. Das hat noch keinem geschadet.“ Lass dich davon nicht verwirren. Das Verhalten ist nicht okay. Denn, wenn du so mit anderen umgehst, dann gewöhnst du dein Gegenüber daran, dass das normal ist, dass Grenzen überschritten werden, sie bevormundet werden und sich nicht wehren sollten. Schließlich ist es zu ihrem Besten, zu tun, was du willst. Das können dann Menschen ausnutzen, die ganz andere Ziele verfolgen.

Deshalb möchte ich dich sensibilisieren, bei einem Nein zu stoppen. Für dein Gegenüber bedeutet es, dass es erlebt, wie respektvoller Umgang funktioniert.

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